“Wie finde ich Glück und Erfüllung?

Ein Leben lang habe ich danach gestrebt, mehr Erfüllung zu finden. Immer wieder habe ich neue Ansätze ausprobiert, um dem vermeintlichen Versprechen der Erfüllung näher zu kommen. Doch hat sie mich jemals dauerhaft erreicht? Soweit ich zurückschauen kann, lautet die Antwort: Nein. Das Erfüllen von Wünschen führt oft nur zu kurzzeitiger Freude, die unser Geist schnell wieder abschwächt oder in manchen Fällen sogar Ängste vor dem Verlust des Begehrten hervorruft.

Wir finden uns immer wieder in der gleichen Situation wieder: Unser Verstand sagt uns, dass die Realität nicht so ist, wie wir sie gerne hätten, und wir empfinden ein Gefühl der Unzufriedenheit. In der Folge setzen wir alles daran, die Realität so zu verändern, dass sie unseren Vorstellungen entspricht. Wir arbeiten hart, um unsere Wünsche zu erfüllen, in der Hoffnung, dass sie uns endlich die ersehnte Erfüllung bringen werden. Doch selbst wenn der Porsche vor der Tür steht oder der Mensch unserer Träume in unserem Bett liegt, dauert es nicht lange, bis unser Verstand wieder Mängel in unserer Realität findet und das Streben nach Veränderung beginnt von Neuem.

Wenn wir beginnen, dieses Muster zu erkennen, haben wir zumindest einen Schritt in die richtige Richtung gemacht: Wir haben die Täuschung entlarvt. Unsere Wünsche mögen immer noch da sein, aber wir wissen bereits, dass ihre Erfüllung uns langfristig nicht erfüllt. Wir sehnen uns danach, uns auf eine tiefere Ebene erfüllt zu fühlen.

Für alle, die sich näher mit diesem Thema beschäftigen möchten, empfehle ich mein LieblingsbuchDie Weisheit der Yoga-Sutras von Patañjali: Aus dem Sanskrit neu übersetzt und kommentiert

Die Sehnsucht nach Erfüllung – Ein Blick auf die Wurzeln unseres Verlangens

Unsere tiefste Sehnsucht nach Erfüllung mag ihren Ursprung in der Zeit vor unserer Geburt haben, in dem warmen und geborgenen Raum im Mutterleib. In dieser Phase unseres Lebens brauchten wir weder zu atmen noch Nahrung aufzunehmen. Wir waren von schützenden Wänden umgeben, während sanfte Geräusche unsere Wahrnehmung bestimmten. In dieser Zeit gab es kein Verlangen oder das Gefühl, dass irgendetwas fehlt. Wir existierten in einem Zustand reiner Glückseligkeit und vollkommener Erfüllung. Der Gedanke an Mangel war schlichtweg inexistent. Wir waren im wahrsten Sinne des Wortes glücklich.

Es könnte sein, dass unser anhaltendes Verlangen danach, diesen ursprünglichen Zustand der Geborgenheit wiederzuerlangen, ein Widerschein dieser frühsten Erfahrungen ist. Doch die Realität des Lebens nach der Geburt ist eine andere. Mit dem Erwachsenwerden und der Entwicklung unseres Verstandes beginnen wir, die Welt um uns herum zu bewerten und zu beurteilen, was uns fehlt. Dieses Verlangen, den vermeintlichen Mangel zu beheben, begleitet uns oft ein Leben lang.

Die Wurzel des Problems liegt jedoch in unserem Verstand. Unser Verstand ist ein Werkzeug, das uns dabei hilft, in der Welt zu überleben. Er ist darauf ausgerichtet, Probleme zu lösen und Konflikte zu bewältigen. Er fördert jedoch nicht zwangsläufig inneren Frieden und Harmonie, sondern beschäftigt sich oft mit den Herausforderungen des Lebens. Dieser fortwährende Fokus auf Problemlösung und Mangel erzeugt negative Gefühle und trägt zu unserem Gefühl der Unzufriedenheit bei.

Unsere individuelle Situation spiegelt sich auch in der Welt um uns wider. Viele Menschen streben nach Glück, und sie gründen Unternehmen, um finanzielle Sicherheit und scheinbare Erfüllung zu finden. Doch selbst wenn sie äußerlich erfolgreich sind, sind viele von ihnen nicht wirklich glücklich. Sie haben oft keine Zeit, sich mit den grundlegenden Fragen des Lebens auseinanderzusetzen. Wenn sie dies täten und die oben genannten Erkenntnisse verinnerlichen würden, könnten sie ihre Bemühungen in einem ganz neuen Licht sehen.

Dies bedeutet nicht, dass eine zielgerichtete Tätigkeit nicht erfüllend sein kann. Im Gegenteil, in einem Zustand der vollständigen Konzentration kann der Verstand in einen Zustand des Flows eintauchen, der als äußerst erfüllend empfunden wird. Dennoch verlieren wir oft das eigentliche Ziel aus den Augen, und dieses Ziel führt uns nicht zwangsläufig zu dem inneren Frieden, den wir uns so sehr wünschen.

Die Rolle des Verstandes bei der Suche nach Glück und Erfüllung

Unser Verstand spielt eine entscheidende Rolle in unserem Streben nach Glück und Erfüllung. Er gibt uns nicht nur die Fähigkeit, die Welt um uns herum wahrzunehmen und zu interpretieren, sondern auch ein Gefühl der Identität. Wir glauben, eine eindeutige Identität zu haben, die uns von anderen unterscheidet. Dieses Gefühl der getrennten Identität ist oft die Wurzel unseres unermüdlichen Verlangens nach Erfüllung.

Im Gegensatz zum ungeborenen Kind, das in einem Zustand der Einheit und Geborgenheit verweilt, fühlen sich Menschen mit einer Identität als getrennte Wesen. Diese Trennung von der Einheit ist oft die Quelle unserer Unerfülltheit. Wir sehnen uns danach, wieder eins zu sein, uns geborgen und im Frieden zu fühlen. Doch unsere Identität steht diesem Verlangen oft im Weg, da sie untrennbar mit dem Gefühl der Trennung verbunden ist.

Um zu verstehen, wie unsere Identität und unsere Wünsche miteinander verknüpft sind, müssen wir die Aktivitäten unseres Geistes betrachten. Die Art und Weise, wie wir die Welt und uns selbst wahrnehmen, wird von unseren geistigen Aktivitäten geprägt. Es sind unsere unbewussten Programmierungen, die unsere Wahrnehmung der Welt und unser Selbstbild formen.

Wie also können wir den Zustand des totalen Glücks erreichen, wenn die Erfüllung von Wünschen nicht die Antwort ist? Die Lösung ist einfach, aber auch herausfordernd. Wir müssen in den Zustand zurückkehren, den wir als ungeborenes Kind erlebt haben. Doch was zeichnet diesen besonderen Zustand aus? Es ist die Fähigkeit, die Welt ohne die Filter und Interpretationen des Verstandes wahrzunehmen. In diesem Zustand interpretieren wir nicht mehr, wer oder was wir sind. Das Gefühl der Trennung verschwindet, ebenso wie das Gefühl des Mangels. An seine Stelle tritt das Gefühl der Einheit, das echtes Glück und wahre Erfüllung verspricht.

Die Macht des Geistes: Yoga und die Suche nach Erfüllung

In unserem vorherigen Gespräch haben wir die Rolle des Geistes bei der Schaffung unserer Identität und dem Gefühl des Getrenntseins erörtert. Doch wie können wir unsere geistigen Aktivitäten zu unserem Vorteil verändern? Hier kommt die Wissenschaft des Yoga ins Spiel, wie sie von Patañjali in seinen Yogasutras systematisch beschrieben wurde. Im Kern geht es beim Yoga darum, den Geist zur Ruhe zu bringen. Stellen Sie sich die Aktivitäten Ihres Geistes symbolisch als die Oberfläche eines Sees vor. Wenn alle Wellen zur Ruhe kommen und die Oberfläche spiegelglatt wird, können wir auf unser ursprüngliches geistiges Wesen hinabblicken. Schließlich ruht unser Wesen in uns selbst, und wir ruhen in ihm – das ist die wahre Erfüllung. Sie geschieht jenseits aller Begehren und trägt zur Heilung der Welt bei, die letztlich eine einzige Einheit ist.

Machthaber verteidigen ihren Status vehement und setzen alles daran, die Massen in Unwissenheit zu halten. Sie haben es geschafft, unser Denken durch Medien und Bildungssysteme so zu lenken, dass wir in ihrem Sinne “funktionieren”. Ihre größte Furcht wäre eine erwachte Menschheit, die sofort ihre Entmachtung bedeuten würde. Sklaverei und Unterdrückung würden ein Ende finden. Die Entscheidung, ob wir weiterhin das Spiel der Wünsche und Begierden mitspielen oder es durchschauen und nach einer klügeren Alternative suchen, liegt bei uns.

Wenn Sie glauben, dass die Zeit reif ist, etwas zu ändern, dann können auch Sie einen Unterschied machen. Überlegen Sie, welche Begehren in Ihnen aktiv sind und wie Sie Ihre ständige Suche nach Erfüllung wirklich klug angehen können. Bedenken Sie das Leid, das Sie sich selbst zufügen, indem Sie immer glauben, etwas haben oder erreichen zu müssen, anstatt in diesem Moment die totale Erfüllung zu erkennen. Möge dieser Frieden Sie begleiten!

Für alle, die sich weiter mit diesem Thema beschäftigen möchten, empfehle ich meine Lieblingsbücher zu den Yogasutras:

Die Weisheit der Yoga-Sutras von Patañjali: Aus dem Sanskrit neu übersetzt und kommentiert

Gehirnsoftware: Die Technologie in Patanjalis Yoga Sutras

Die Psychologie des Yoga

Patanjalis Yogasutra: Der Königsweg zu einem weisen Leben

4 Kommentare
  1. Sabine sagte:

    Lieber Uwe,
    ein paar Gedanken zu deinen Gedanken:

    Du schreibst: „Es könnte sein, dass dieser Wunsch einfach das Bedürfnis ist, sich so geborgen und wunschlos zu fühlen, wie es ursprünglich einmal im Leib unserer Mutter gewesen ist.…Der Gedanke, dass etwas fehlen könnte war einfach nicht existent.“

    Mag sein, dass der Gedanke nicht existent war/ist, aber: Nimmt ein ungeborenes Kind im Leib der Mutter nicht auch schon wahr, ob es gewollt ist oder nicht? Nimmt ein ungeborenes Kind im Leib der Mutter nicht auch schon wahr, ob es geliebt wird oder nicht? Nimmt ein ungeborenes Kind nicht auch schon (mit der Nabelschnur) auf, was die Mutter zu sich nimmt, – ob es dem Kind nun schadet oder nicht?

    Du schreibst unter anderem: ; … Es ist so einfach, und dennoch so schwer. Wir müssten den Zustand des ungeborenen Kindes wieder einnehmen können.“

    Sorry Uwe,
    aber mir reicht das nicht. Ich finde, wir müssten einen Zustand einnehmen können, der noch davor ist – einen Zustand also noch vor dem Zustand des Kindes im Mutterleib. Da mag ein Zustand sein, in dem wir uns aufgehoben, geborgen, eins und glückselig „fühlen“ konnten/können.

    …. und was-weiß-der-Kuckuck, warum ich stattdessen auf dieser Welt mit all ihren Unzulänglichkeiten bin. Was ist da wohl passiert? Wollte ich das? Wer wollte das?
    Wenn ich auf dieser Welt etwas zum Guten/Besseren ändern will/wollte, dann muss/müsste ich (in diesem Fall also mein Verstand) schon mal differenzieren, zwischen Gut und Besser … zwischen Gut und Böse/Schlecht, … zwischen wissend und unwissend …. zwischen erleuchtet (Grad/Stufe der Erleuchtung) oder eben gar nicht erwacht …
    und schon hätten mich mein Verstand, meine Wünsche und all mein Begehren wieder aus dem Urzustand von Eins-Sein herausgeholt.

    … und wenn du schreibst: “Wenn alle Wellen sich so weit beruhigt haben, dass wir wieder eine spiegelglatte Oberfläche haben, dann können wir hinab auf unser ursprünglich geistiges Wesen schauen. Und irgendwann ruht unser Wesen in uns selbst, und wir in ihm, und das ist dann die pure Erfüllung. Diese findet dann jenseits von all unserem Begehren statt und heilt zudem noch die Welt, die in Wahrheit nur EINS ist.

    … dann finde ich das ur-mega-cool und wunderschön.

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    • Uwe Borchers sagte:

      Hallo Sabine, ja mit den Texten ist es so eine Sache. Ich versuche für den Hörer Bilder zu entwickeln, die bestimmte Emotionen hervorrufen. Der Fall, dass ein Mensch die vorgeburtliche Zeit als Horror erlebt ist hoffentlich selten. Auf jeden Fall hat derjenige dann später psychisch damit zu tun, wenn es schlecht lief, kann sich allerdings an kein Detail erinnern, weil das chronologische Gedächtnis noch nicht ausgebildet ist. Insofern verbinden Menschen das Sein im Bauch der Mutter symbolisch als Geborgenheit. Wenn Du sagst, wir sollten den Zustand vor der Empfängnis einnehmen, dann stimme ich Dir zu, bloß da komme ich mit meinen Hörern möglicherweise in einen Glaubenskonflikt. Weißt Du, ich beschäftige mich mit der Erleuchtung nun schon ziemlich lange und wenn man bestimmte Dinge hört, dann ist alles klar. Scott Kiloby zum Beispiel sagt: “Da gibt es nur dies!” Mehr nicht. Es gibt nur dies und in diesem findet alles statt, kommt und geht. Aber das eine kommt weder, noch geht es. Es ist die ewige Präsenz. All diese Worte erscheinen darin und vergehen wieder. Und darum mache ich mir über die Inhalte nicht mehr so viele Gedanken und gehe mehr in das Gefühl. Wenn wir im Gefühl sind ohne Gedanken, dann kann sich unser Ego auflösen und wir sind wieder da, wo wir vor der Empfängnis waren. Ich danke Dir für die Anregungen und dem Zuspruch! Ganz liebe Grüße Uwe

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  2. Antonina sagte:

    Lieber Uwe,

    ich las mal folgendes: “Wenn jeder des anderen Freund wäre, wieviel Freunde hätten wir dann?”
    Wenn ich in diesen Satz hinein gehe und ihn als bereits erfüllt fühle, dann bemerke ich, dass
    ich absolut glücklich bin und nichts mehr hinterjage vor lauter eigener innerer Instabilität usw.

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    • Uwe Borchers sagte:

      Hallo liebe Antonia,
      Danke für Deinen Kommentar! Alles ist Bewusstsein, und demnach ist auch alles materielle Bewusstsein. Und Deine Verkörperung manifestiert in deinem Gehirn ein Programm (definiertes Bewusstsein). Und dieses Programm ist das, was Dich so fühlen und denken lässt, wie Du es tust. Du bist quasi in einem selbst erstellten Computerspiel, wo Du nur durch Deine Gedanken, Gefühle und Handlungen dasjenige erzeugst, was Du erlebst. Und wenn du nur gute Dinge erleben möchtest, dann sorge dafür, dass Du nur die guten Gefühle zulässt. Und wenn es mal nicht so gut läuft, dann liebe Dich dafür, dass es mal nicht so gut läuft. Und wenn Du innerlich annimmst, dass alle Menschen Deine Freunde sind, dann denkst Du dass alle Menschen immer gut zu Dir sein werden. Und das wird dann das Resultat sein. Sich dazu erziehen ist ein Prozess. Wenn jemand böse zu Dir ist, reagiere nicht darauf, sondern gehe weiter den Weg, dass sich für Dich alles in der besten Art und Weise entwickeln wird. Tue so, als ob alles schon so ist, wie Du es gerne hättest!
      Liebe Grüße Uwe

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